Gucci Frühling Sommer 2023
Wie von Zauberhand

Eine Modenschau mit einem besonderen Finale, bei dem ein zweiter Laufsteg und die Tatsache offenbart wurden, dass 68 Paar Zwillinge oder Doppelgänger gleichzeitig die Looks aus der neuesten Kollektion des Kreativdirektors präsentiert hatten – ein Zeugnis seiner ewigen Faszination für das Doppelte. Obwohl das Zwillingskonzept zunächst an Konzepte wie Identität und Gleichartigkeit erinnern mag, wollte Alessandro Michele das genaue Gegenteil demonstrieren: „Es ist die Unmöglichkeit der perfekten Gleichheit, die Zwillinge so magisch macht … Es ist der Schein der Übereinstimmung. Das Spiel mit der Illusion durch unvollkommene Symmetrie“, heißt es im Begleittext der Schau. „Wie von Zauberhand wird Kleidung verdoppelt. Und verliert scheinbar ihre Einzigartigkeit.“

Ein zweiter Blick auf die vermeintlich identischen Modelpaare fordert die Zuschauer zu einer aufmerksameren Betrachtung auf, wodurch die Looks plötzlich bedeutend anders aussehen. „Bei Doubles sehen wir unwillkürlich genauer hin, um auch kleinste Unterschiede zu erkennen.“ Die dabei zum Vorschein kommenden Details sind sowohl Echos vergangener Kollektionen als auch Ankündigungen zukünftiger. 

Ein Maßanzug wird durch ausgeschnittene Strumpfhalter an den Hosen, einen markanten Gürtel mit Logo im 90er-Stil, eine Kombination verschiedener Proportionen und ein Revers mit Liberty-Print zum unverkennbaren Gucci Anzug. Einige Looks waren als Hommage an Kulturen konzipiert, deren Elemente seinem Narrativ noch mehr Tiefgang und Schönheit verleihen. „Die chinesische Kultur fasziniert mich sehr. Ihr Ursprung erscheint uns weit entfernt, aber gleichzeitig ist sie eng mit Europa verbunden. Sie hat die europäische Kultur und ihre Perspektive beeinflusst. Das sollte uns daran erinnern, dass wir nicht alleine sind – wir sind viele“, so der Kreativdirektor. 

Die Archive des Hauses sind dabei immer wieder eine unerschöpfliche Inspirationsquelle für Alessandro Micheles Kollektionen. Das zeigten eine vom Pferderennsport inspirierte Tasche aus dem Jahr 1981, eine kristallbesetzte Interpretation eines Teddybär-Accessoires, ein Stück Nostalgie aus den 90ern, das sich in diesem Fall buchstäblich als G String bezeichnen lässt, ein pelziges Wesen aus dem Kino der 80er mit dem Namen Gizmo, sowie Grafikelemente aus der Anthologie von FUORI!  – eine LGBTQ+-Vereinigung mit gleichnamigem Magazin aus den 70er- und 80er-Jahren, die bis heute den notwendigen Kampf für Gleichberechtigung repräsentiert.

Aufmerksame Beobachter und/oder Chemiebegeisterte entdecken auf der Rückseite einer Tweedjacke die Formel der Chlorophyllin-Fotosynthese – ein Prozess ohne den wir nicht existieren würden. Das Naturthema zieht sich in Form von Hinweisen auf das Tierreich durch die Kollektion – sowohl in den lebendigen Mustern auf Stiefeln, Strumpfhosen, Handschuhen und Paillettenkleidern als auch in den Accessoires, die von kristallbesetzten Brillen bis hin zu Gesichtsschmuck reichen. Diese Verzierungen zeugen von unserem natürlichen Instinkt, eine andere Version von uns zu präsentieren – eine, die die Blicke auf sich zieht. In seinem Begleittext beschreibt Alessandro Michele, wie die Zwillingsthematik zur Dezentralisierung drängt, zur Beschäftigung mit dem anderen. „Es ist ein Motiv, das über die Biologie hinausgeht und den Gedanken der Gemeinsamkeit und Schwesterlichkeit demonstriert, der uns auf unserer Reise auf diesem Planeten begleiten sollte.“